Wir leben in interessanten Zeiten: Was bewegt die Märkte wirklich?

in Zeiten, in denen Trading oft als einfacher Ausweg aus dem 9-to-5 Alltag dargestellt wird, kursieren viele Mythen. Überall liest man, dass man mit wenigen Klicks von überall aus sechsstellige Beträge verdienen kann einfach per Handy. Doch wie realistisch ist das wirklich? Und was steckt hinter den Bewegungen an den Finanzmärkten?
In diesem Blogartikel schauen wir uns an, wie Märkte wirklich funktionieren, warum sie sich bewegen und welche Rolle Marktteilnehmer dabei spielen.
Der Mythos vom bösen Marktmakler
Viele behaupten, dass Märkte hauptsächlich von sogenannten „Market Makern“ (Marktmachern) kontrolliert werden, die ständig Stop-Loss-Orders von Kleinanlegern jagen, um dann selbst von der Bewegung zu profitieren.
Das ist jedoch eine sehr vereinfachte Sicht. Ja, Märkte sind teilweise manipuliert, und es gibt schlechte Praktiken aber nicht jede Kursbewegung entsteht durch eine heimliche Hand, die den Markt lenkt.
Was ist eigentlich Market Microstructure?
„Market Microstructure“ ist ein Fachbegriff, der die inneren Abläufe von Märkten beschreibt: Wie Preise gebildet werden, wie Orders ausgeführt werden, und wie unterschiedliche Teilnehmer zusammenkommen.
Jeder Trade basiert auf einem offenen Auktionssystem: Für jeden Käufer braucht es einen Verkäufer und umgekehrt. Hinter jedem Trade steht also immer eine Gegenpartei egal ob Händler, Institution, Algorithmus oder Market Maker.
Das Verständnis von Market Microstructure hilft dir, die wahre Dynamik hinter Kursbewegungen zu erkennen, statt blind zu kaufen oder zu verkaufen.
Wer bewegt die Märkte wirklich?
Kurz gesagt: Angebot und Nachfrage.
Märkte bewegen sich, wenn sich das Kräfteverhältnis zwischen Käufern und Verkäufern ändert. Wenn mehr Käufer als Verkäufer da sind, steigt der Preis und umgekehrt.
Dabei gilt: Jeder Trade hat zwei Seiten, also muss für jeden Käufer ein Verkäufer da sein.
Was wirklich zählt, ist verfügbare Liquidität also wie viele Orders im Orderbuch liegen und das tatsächliche Volumen der ausgeführten Trades.
Liquidität und Volumen: Der Schlüssel zu Marktbewegungen
Chris Lori sagt: Volatilität ist eine Funktion der verfügbaren Liquidität.
- Hohe Liquidität = stabilere Preise: Märkte mit vielen Orders im Buch lassen sich nur schwer bewegen.
- Geringe Liquidität = größere Schwankungen: In dünnen Märkten können kleine Kauf- oder Verkaufsimpulse große Kursbewegungen auslösen.
Das erklärt, warum Bitcoin mit seinem großen Orderbuch oft stabiler ist als kleinere Altcoins, die viel volatiler sind.
Vier Markttypen: Volume vs. Liquidity
- Hoher Volumen, geringe Liquidität: Viele aggressive Market Orders treffen auf wenige passive Orders das erzeugt schnelle, große Bewegungen und oft Slippage (Preisabweichungen bei Orderausführung).
- Geringer Volumen, hohe Liquidität: Dicke Orderbücher, wenig Volumen Märkte bewegen sich nur langsam, oft mit geringer Volatilität (z.B. Staatsanleihen).
- Hoher Volumen, hohe Liquidität: Normale Marktbedingungen, in denen Orders gut ausgeglichen sind.
- Geringer Volumen, geringe Liquidität: Ruhige Märkte mit kleinen Bewegungen.
Warum drehen Märkte oft an Unterstützung und Widerstand?
Viele Trader glauben, dass „Market Maker“ Stops jagen, um Liquidität zu erzeugen. Doch tatsächlich sind die häufigsten Gründe viel simpler:
1. Herdentrieb (Herding)
Menschen schauen auf die gleichen Charts, identifizieren ähnliche wichtige Niveaus wie z.B. gleitende Durchschnitte, horizontale Unterstützungen oder Widerstände und handeln dort ähnlich. Das führt zu Reaktionen an diesen Stellen.
2. Order-Splitting großer Trader
Große Marktteilnehmer können nicht einfach große Mengen auf einmal kaufen oder verkaufen, ohne den Preis massiv zu beeinflussen. Deshalb teilen sie ihre Orders in viele kleine Stücke und platzieren sie an bestimmten Preisniveaus, was zu Reaktionen an diesen Punkten führt.
Der Bid-Ask Spread und Market Making
Der Markt funktioniert als offene Auktion: Auf der einen Seite stehen die Bid-Orders (Kaufwünsche), auf der anderen die Ask-Orders (Verkaufswünsche).
Der Unterschied zwischen dem höchsten Kaufpreis und dem niedrigsten Verkaufspreis nennt sich Spread.
Market Maker versuchen, durch das gleichzeitige Anbieten von Kauf- und Verkaufspreisen Geld zu verdienen, indem sie die Differenz (den Spread) einnehmen. Dabei bleiben sie möglichst delta-neutral das heißt, sie wollen kein Risiko aus Preisbewegungen tragen.
Orderarten kurz erklärt
- Limit Orders: Passiv, werden ins Orderbuch gestellt. Zum Beispiel: Ich kaufe nur bei 100€ oder günstiger. Geduldig und oft günstiger, aber keine Garantie auf Ausführung.
- Market Orders: Aggressiv, sofortige Ausführung zum besten verfügbaren Preis, zahlt den Spread, schneller, aber oft teurer.
- Stop Orders: Werden aktiviert, wenn ein bestimmter Preis erreicht wird (z.B. Stop-Loss).
- Erweiterte Ordertypen: Komplexere Kombinationen, z.B. OCO (One-Cancels-Other), Iceberg-Orders (versteckte große Orders) etc.
Marktteilnehmer und Handelsplätze
Neben Kleinanlegern gibt es:
- Institutionen mit großem Kapital
- Algorithmen und High-Frequency Trader (HFT)
- Market Maker als Liquiditätsanbieter
Die Struktur der Handelsplätze (Börsen) beeinflusst ebenfalls die Marktbewegungen manche Börsen sind zentral, andere dezentral, manche haben spezielle Regeln und unterschiedliche Liquiditätsquellen.
Tools zum Verständnis der Marktstruktur
- Orderbuch (Depth of Market, DOM)
- Tape Reading: Live-Ablesung der Trades und ihrer Größe
- Footprint Charts: Visualisieren gehandeltes Volumen auf Preisniveau
- Heatmaps: Visualisieren Liquidität und Orderdichte
Diese Tools helfen dabei, das Marktgeschehen besser zu verstehen und fundierte Handelsentscheidungen zu treffen.
Fazit: Märkte sind komplex, aber nicht geheimnisvoll
Märkte sind kein Spielplatz für finstere Mächte, sondern ein komplexes System von Angebot, Nachfrage, Liquidität und menschlichem Verhalten.
Das Wissen um Market Microstructure hilft dir, realistische Erwartungen zu entwickeln und deine Trading-Strategien zu verbessern.
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